von
VANS FREUNDEN
Die
Entdeckung des Rosenkranzes
Die
Kraft des Rosenkranzgebets
Die
Geheimnisse des Rosenkranzes
Die
freudenreichen Geheimnisse
Die
Darbringung Jesu im Tempel
Das
Wiederfinden Jesu im Tempel
Die
Verkündigung des Reiches Gottes und der Aufruf zur Umkehr
Die
Einsetzung der Eucharistie
Eine
andere Art des Rosenkranzgebets
Es
ist Abend. Düster und lautlos breiten sich die Schatten aus.
Von
Traurigkeit überwältigt, kehrt der Vogel aus unbekannter Ferne zurück.
In
diesem düsteren Schatten schweigsam zusammengekauert.
Mir
ist kalt, und ich denke an meinen Freund Jesus.
Oh
Mutter, weshalb ist mein Herz heute Abend voll Liebe?
Beim
Wehen des Windes, das ich gleich einem geheimnisvollen Ruf zu vernehmen
scheine,
Dann
ist mir als höre ich die Stimme dessen, der mich eines Tages...
..herausrief,
um mich im Geheimen zum Austausch inniger Liebe einzuladen.
Nun
ist diese Stimme von einst in der Abenddämmerung verstummt.
Und
von der Trostlosigkeit der Landschaft wird meine tiefe Sehnsucht noch
gesteigert.
....Ach!
Meinen Vielgeliebten sehe ich nirgends mehr.
Ich
bleibe in Stille und Trauer allein zurück.
Oh
Mutter, sieh meine von Tränen überfliessenden Augen.
Dein
ist meine ganze Liebe; dir vertraue ich sie an!
Inhaltsverzeichnis
Leitartikel
Die
Entdeckung des Rosenkranzes
Die Kraft
des Rosenkranzgebets
Die
Geheimnisse des Rosenkranzes
Eine
andere Art des Rosenkranzgebets
Das
Rosenkranzgebet war für mich
eine
innige Unterhaltung mit der Muttergottes.
Wenn
ich ihr etwas sagen, sie um eine Gunst bitten oder ihren huldvollen Blick
auf
mich lenken wollte, wusste ich kein besseres
Mittel
als das Rosenkranzgebet.
Aut 45
Entdecken
wir zu Beginn dieses Jahres 2003, das auf Vorschlag des Papstes Johannes Paul
II. das Jahr des Rosenkranzes sein soll, mit Van dieses bevorzugte Gebet des
Papstes. Tê, die heute Redemptoristin ist, ruft uns das Leben ihres Bruders
wieder in Erinnerung.
Bekanntlich
brachte Van seit seiner Kindheit dem kleinen Jesus und seiner Mutter Maria
grosse Liebe entgegen.
Aber
trotz seiner innigen Liebe zu seiner himmlischen Mutter war er sich des übernatürlichen
Wertes dieses Mariengebets nicht voll bewusst und fand es sogar ziemlich
langweilig. Diese von unserer Mutter erzählte Anekdote ist der Beweis dafür.
Eines
Abends schien Van, immer an Mutters Seite, während des Rosenkranzgebets im
Kreis der Familie unruhig zu sein. Plötzlich sagte er mit flehender Stimme:“Mutter,
geh doch zu einem anderen Gebet über, dieses ist langweilig! Du wiederholst
immer das Gleiche!“ Daraufhin wurde er aufgefordert, das Gebet bis zu Ende
zu beten.
Dann erklärte
Mutter ihm, dass das Rosenkranzgebet bei weitem nicht langweilig sondern ein
der Muttergottes und dem kleinen Jesus sehr angenehmer Lobpreis ist. Von
diesem Tag an fragte Van nicht mehr nach einem anderen Gebet und nutzte sogar
jede Gelegenheit, der heiligen Jungfrau diesen erlesenen Lobpreis darzubringen.
Mutter führte
ihn dann in die Betrachtung der Geheimnisse des Rosenkranzes ein. Daraufhin
wurde dieses Gebet für ihn zu einer Quelle, die ihm in seinem Leben voll Leid
und Prüfungen Kraft spendete.
Schwester
Anne-Marie Tê, O.Ss.R.
Vans
Schwesterchen
In
seiner Autobiographie drückt Van wiederholt seine Liebe zu der Muttergottes,
seiner himmlischen Mutter aus, die seine irdische Mutter ihn von Kind an zu
lieben gelehrt hat. Er gibt Zeugnis von den dank des Rosenkranzgebets
erhaltenen Gnaden.
In kurzer
Zeit lehrte meine Mutter mich das Vaterunser,
das Gegrüsset seist du Maria und
das Ehre sei dem Vater auswendig
aufsagen. Dann führte sie mich in das Rosenkranzgebet ein, und vom dem Tag
an, an dem ich dieses Gebet verrichten konnte, wurde ich, ihrem eigenen
Zeugnis gemäss, von Tag zu Tag braver und sanftmütiger. Meine Mutter pflegte
zu sagen: „Wenn er traurig oder krank war, forderte er mich auf, zum Trost
den Rosenkranz zu beten.“ Vater, Sie können mir glauben, dass die
Muttergottes mir damals, obschon ich noch sehr klein war, die Gnade schenkte,
eine tatsächliche Rührung zu verspüren, wenn ich ihr diese Sträusse
geistlicher Blumen darbot. Bei jedem Rosenkranz war meine Seele voll
Freude, als wäre die Muttergottes zugegen, lächelnd, mich mütterlich
umarmend. Da ich diese sanfte Gemütsregung auf sehr innige Weise verspürte,
wünschte ich mir, meine Mutter würde den Rosenkranz unaufhaltsam beten. Ich
bedauerte, sie zur Verrichtung dieses Gebets in Anspruch nehmen zu müssen,
denn sie hatte immer zu tun. Wenn ich sie zu sehr drängte, musste sie sich
dazu entschliessen, den Rosenkranz über der Arbeit zu beten.(...)
Ich kann
behaupten, mit der Muttergottes zusammengelebt zu haben, stets an ihrer Seite.
Sie nahm mich unter ihren mütterlichen Schutz, indem sie mir einen Hang nach
dem ruhigen Leben der Heiligen gab, mich dazu anhielt, mich stets ihr
zuzuwenden und von meiner Seele jedes Gefühl der Traurigkeit fernhielt.
Ach! War
ich meinerseits immer treu? Ich gebe offen zu, dass ich verdiene, eine
Durststrecke durchzustehen, denn während einer gewissen, wenn auch nicht
langen Zeit, habe ich das Rosenkranzgebet vernachlässigt, um den alltäglichen
Beschäftigungen nachzugehen, höchstwahrscheinlich wegen meiner Leidenschaft
zu spielen. Als natürliche Folge davon hatte ich die Freude verloren, die
Freude, die zur Zeit der Frömmigkeit eine treibende Kraft war, die mich glücklich
machte und meinem Leben Schwung verlieh. Vom Tag an, da ich den Rosenkranz
nicht mehr betete, schwand diese
Freude nach und nach, so dass meine Tante und meine Vetter besorgt waren und
befürchteten, ich sei schwer krank. Ich fiel in die Gewohnheit zurück, zu
schmollen und wurde wieder ungeduldig und weinerlich. Aber die heilige
Jungfrau, meine Mutter, wartete nicht lange bevor sie mir die Ursache des Übels
aufdeckte. Sie führte mich dazu, die innige Verbindung mit ihr durch den
Rosenkranz wiederherzustellen.
Als ich
diese tägliche Gewohnheit wieder aufnahm, wandte die Muttergottes mir wieder
ihren mildreichen mütterlichen Blick zu und bescherte mir wieder glückliche
Tage. Ich fand das Lachen und Lächeln wieder, mit dem innigsten Wunsch, mich
mit Gott zu verbinden, die Lebensquelle, nach der ich immerfort verlangte. Oh,
wenn die Muttergottes mich so liebt, wie könnte ich sie vergessen und sie
nicht lieben?
Wie
unsere Mutter hatte auch Van eine grosse Verehrung für unsere Liebe Frau der
Sieben Schmerzen. Ihr zu Ehren bediente er sich samstags und während der
Karwoche eines violetten Rosenkranzes mit sieben Perlen (7 mal 7 Perlen), um
zu Maria zu beten und sie in ihren sieben Schmerzen zu betrachten und sein
Gebet mit dem ihren zur Erlösung der Menschheit zu vereinen.
Schwester
Anne-Marie Tê
Nach
einer Zeit der Ruhe im Pfarrhaus von Huu-Bang ballen sich Gewitterwolken
zusammen. „Der Teufel wurde über alle Massen zornig und war fest
entschlossen, dem von der Muttergottes gesegneten Kind ein für allemal den
Krieg zu erklären.“
Nur zu
den Tageszeiten, da ich den Rosenkranz betete, fühlte ich wie mein Herz sich
erwärmte, und ich konnte ein wenig Freude geniessen, die ich aus dem Herzen
Marias, meiner vielgeliebten Mutter, schöpfte. Um dem täglichen
Rosenkranzgebet treu zu bleiben, musste ich ebenfalls einen erbitterten Kampf
führen. Zuerst wurde mir mein Rosenkranz ohne Ursache weggenommen, aber
ich hatte trotzdem einen Weg gefunden, ihn zu beten, indem ich zehn
schwarze Bohnen in eine meiner Taschen steckte. Bei jedem Gegrüsset
seist du Maria nahm ich eine Bohne in die Hand und steckte sie in die
andere Tasche. Wenn die Tasche leer war, betete ich das Ehre
sei dem Vater ....Dann fing ich wieder von vorne an. Ich war im Glauben,
dass diese Methode recht unauffällig wäre, aber trotzdem ist es gelungen,
mich auch um diese Art des Rosenkranzbetens zu bringen.
Sofort
erdachte ich eine neue Strategie. Ich machte in meine
Hosenschnur zehn Knoten, um sie wie einen Rosenkranz zu gebrauchen. Ich
musste die Schnur jedoch sorgfältig
nach innen tragen, so dass sie nur sichtbar war, wenn ich sie zum Beten
benutzte. Eines Tages vergass ich aus Unachtsamkeit diese Vorsichtsmassnahme.
Da der Meister die Sache bemerkt hatte,nötigte er mich, die ganze Wahrheit zu
sagen und nahm mir dann auch noch diese so kostbare Schnur ab. Ausserdem
beschenkte er mich mit drei saftigen Ohrfeigen und sagte zu mir:“Du wagst
es, der Muttergottes gegenüber so unhöflich zu sein, dich deiner Hosenschnur
als Rosenkranz zu bedienen?“
Da mir
kein anderes Mittel blieb, bediente ich mich meiner zehn Finger, um die Gegrüsset
seist du Maria zu zählen. Diese Methode schien mir praktisch zu sein,
weil ich meinen Rosenkranz überall beten konnte, ohne dass es jemand
merkte. Trotzdem sagte ich mir:“Auch wenn ich meine zehn Finger
aufopfern müsste, würde mein Herz nie aufhören, der Muttergottes meine
Liebe durch das Rosenkranzgebet auszudrücken.“ Denn dank dieser Praxis kam
Maria, meine Mutter, mir stets zu Hilfe: Sie zwang den Teufel, mich zu fürchten,
und es ist ihm nie gelungen, mich zu besiegen. Im Gegenteil, er musste
unverhoffte Rückschläge hinnehmen, die einen Strich durch seine geheimsten
Listen machten. So kam es durch den unversöhnlichen Hass zwischen dem Teufel
und mir nie zu einer Waffenruhe.
Es war
eine der grössten Freuden Vans,am Tag seiner Einkleidung (beim Eintritt in
das Noviziat) bewegten Herzens das kostbare Marienzeichen, d.h. den Rosenkranz
der Redemptoristen in Empfang zu nehmen, der in seinen Augen nicht etwa ein
frommer Gegenstand war, der zu
seinem Ordenskleid gehörte, sondern den er mit viel Achtung und Verehrung
trug, weil er ihm - wie er sich selbst ausdrückte - ständig die mütterliche
Gegenwart Mariens in Erinnerung rief und eine liebevolle, vertrauliche
Beziehung zu ihr aufrechterhielt.
Das lässt
auf seine Sehnsucht schliessen, die er in seinem ersten Brief an den Superior
der Redemptoristen erwähnt hatte, nämlich „in besonderer Weise ein Kind
der heiligen Jungfrau zu werden“.
Schwester
Anne-Marie Tê
In seinem
apostololischen Schreiben Rosarium Virginis Mariae, lädt der Papst uns ein,
beim Beten des Gegrüsset seist du Maria die Geheimnisse des Lebens Christi zu
betrachten. Um das Leben Jesu besser zu erfassen, schlägt er uns die
Betrachtung fünf neuer
Geheimnisse, der lichtreichen Geheimnisse vor.
Wir
laden Sie ein, mit Van die zwanzig Geheimnisse des Rosenkranzes durchzugehen.
Sobald
Gott unseren Stammeltern die Strafe angekündigt hat, hat er ihnen gleichfalls
eine Quelle der Hoffnung verheissen: er wird seinen menschgewordenen Sohn auf
die Erde senden, um der Menschheit die durch unsere Stammeltern verscherzte
Gnade wiederzugeben. Was konnte er noch mehr tun nach einem solchen
Liebesbeweis? Und trotzdem wird niemand es wagen, Gott Vater zu nennen. Erst
nach der Fleischwerdung des Wortes hat Jesus, der Retter der Welt, Gott den
Namen Vater gegeben und die Welt gelehrt, diesen Namen zu gebrauchen, um sich
an Gott, den Allerhöchsten, im Gebet zu wenden.
Therese
zu Van, Aut 597
Unter den
Nachrichten, die ich dir mitteilen wollte, gibt es eine, die etwas neuer ist
und von der ich dich jetzt in Kenntnis setze,
damit du meine Freude teilen kannst (...) Aber du weisst es schon:
Jesus ist es, den mein Herz liebt. Oh! Ja, lieber Tân, er ist es, der
Vielgeliebte, den ich gefunden habe. Ihm habe ich am 8. September 1946 mein
ganzes Herz geschenkt (...) Aber ach! Lieber Bruder, wieviel Leid habe ich
ertragen müssen, wieviel Tränen habe ich auf der Suche nach meinem
Vielgeliebten vergossen.... Aber welche Freude hat er mir geschenkt, wieviele
Liebesblicke hat er mir zugeworfen, wieviele Beweise seiner Zärtlichkeit und
seiner Freundschaft hat er mir gegeben, als mir gestattet wurde, ihn zu
erblicken und an mein Herz zu drücken! Er hat meine Herzens Sehnsüchte bis
ins Unendliche hinein erfüllt, so dass ich mich nicht mehr an die Schmerzen
erinnern kann, die ich ertragen musste, als ich auf der Suche nach ihm war
...(....) Lieber Bruder, nimm nicht an, meine Freundschaft zu dir sei erkaltet;
im Gegenteil, je näher ich Jesus bin, desto enger wird unsere Freundschaft.
Brief
vom 15. September 1946 an Tân, Freund von Huu-Bang
Kleiner
Marcel, du musst vor allem verstehen, dass ich gemäss meiner göttlichen
Natur die zweite Person der Dreifaltigkeit und folglich eins mit dem Vater und
dem Heiligen Geist bin. Aber als Mensch wies ich die Unzulänglichkeiten der
Kindheit auf. (....) Daher musst du verstehen, kleiner Marcel, dass ich auch
die Schwachheit der Kindheit mit den Menschen teilte, mit einer Ausnahme, und
zwar der, dass ich keine Fehler hatte wie du (....)
Jesus
zu Van, Gespr. 365
Lieber
Vater, oh Vater, ich gebe Ihnen Nachricht von mir. Ihr kleiner Marcel hat
schon seine zeitlichen Gelübde abgelegt. Ich bin sehr glücklich (...) Der
kleine Jesus hat mich auserwählt, um mir seine unendliche Liebe zu schenken,
und ich habe ihn aus freiem Willen erwählt, um ihm meine besondere Liebe
entgegenzubringen. Oh! Vater, Sie können sich nicht vorstellen, wie glücklich
ich bin. Ja, ich bin hochbeglückt, vor allem seit dem 8. September, und auch
jetzt noch fliesst mein Herz über vor Freude und Glück. Ich habe nur mehr
die Worte „Jesus zu lieben“ im Kopf und kann mich an sonst nichts mehr
erinnern.
Brief
vom 12. September 1946 an Pater Edmond Dionne
Im Tempel
konnte ich den Schriftgelehrten nur zuhören und sie befragen. Wenn sie nicht
zu antworten wussten, bat ich sie um Erlaubnis, ihnen einige Erklärungen zu
geben. (.....)
Ich
stellte damals den Schriftgelehrten viele Fragen und da sie nicht zu antworten
wussten, bat ich sie, die Erklärungen selbst geben zu dürfen.Das gelang
mir so gut, dass sogar die Kinder alles verstanden. Deshalb luden sie
mich an diesen drei Tagen ein, nach der Auslegung der Heiligen Schrift mit
ihnen zu spielen, sie nahmen mich mit nach Hause und gaben mir zu essen (...)
Als meine
Mutter Maria und der heilige Josef am dritten Tag in den Tempel kamen, fanden
sie mich inmitten der Kinder der Hohenpriester, damit beschäftigt, ihnen auf
Wunsch der Schriftgelehrten, das Gesetz zu erklären. Maria verlangte nicht
von mir, sofort den Tempel zu verlassen, sondern sie wartete bis ich fertig
war. Dann erst nahm sie mich mit sich.
Jesus
zu Van, Gespr. 604-606
Weisst
du, weshalb wir uns heute begegnen? Gott selbst hat uns diese Begegnung
bereitet. Er wünscht, dass die Unterweisungen in der Liebe, die er meiner
Seele im Verborgenen zukommen liess, in dieser Welt eine Fortsetzung finden.
Deshalb hat er geruht, dich zur Verrichtung der Arbeit, die er dir anvertrauen
will, zu seinem kleinen Sekretär auszuwählen. Vorerst aber hat er dieses
Treffen veranlasst, um dich durch mich von deiner erhabenen Aufgabe in
Kenntnis zu setzen. Van, kleiner Bruder, so wie du mich als eine Heilige nach
deinem Wunsch betrachtest, so bist auch du für mich wirklich eine Seele ganz
nach meinem Wunsch.
Gott hat
geruht, mir zu gestatten, dich schon seit langem zu kennen, das heisst schon
vor deiner Existenz. Dein Leben hat im geheimnisvollen Blick der Göttlichkeit
Form angenommen und ich habe dich gesehen im Licht, das von diesem
geheimnisvollen Blick ausgeht. Ich habe dich erblickt und Gott hat mich
beauftragt, als Schutzengel deines Lebens über dich zu wachen. Ich war bei
dir, ich bin dir auf Schritt und Tritt gefolgt, wie eine Mutter ihrem Kinde.
Gross war meine Freude, wenn ich in deiner Seele Zeichen grosser Ähnlichkeit
mit der meinen entdeckte und eine Auffassung von Liebe, die in keiner Hinsicht
von der meinigen abweicht. Das ist ein Ergebnis der göttlichen Liebe, die es
so in ihrer Weisheit gewollt hat.
Therese
zu Van, Aut 590-591
„Treten
wir ein (in die Kirche) um den Rosenkranz zu beten, um die Muttergottes zu
bitten, sich dieser Angelegenheit an unserer Stelle anzunehmen (die Zulassung
Vans zur Erstkommunion). Sei du immer bereit und bitte Maria, dir zu einer
inbrünstigen Vorbereitung zu verhelfen. Versprich ihr, keine Gelegenheit zum
Leiden vorbeigehen zu lassen, ohne sie freudig anzunehmen und sie ihr
aufzuopfern, damit deine Seele, dank Maria, schön und würdig wird, Jesus,
ihren Sohn, der zu dir kommen und bei dir wohnen wird, zu empfangen.“ Ich
trocknete meine Tränen und folgte meiner Mutter in die Kirche. Nach dem
Rosenkranzgebet fühlte ich mein Herz sofort leichter werden, und ich
versprach der Muttergottes, was meine Mutter mir geraten hatte.
Vans
Mutter zu ihrem Sohn, Aut 77
Lasst
euch von nichts abhalten, haltet das Kreuz fest in der Hand und schreit aus
vollem Halse in den tiefen Wald
hinein:“Jesus ist es wert, unendlich geliebt zu werden. Verherrlicht sei
sein Name, seinem Reich seien keine Grenzen gesetzt.“ In Erwartung dieses
Tages und der Stunde, in der ich Ihnen auf Ihrem Sterbebett entgegenkommen
werde, werde ich für Sie beten, Ihnen nahe sein. Ja, ich werde jeden
Augenblick Ihres Lebens als Apostel mit Ihnen vereint sein.
Brief
vom 22.4.1951 an Lang (zukünftiger Bischof)
An dem
Tag als du vom Berghang zurückkehrtest, habe ich auf deinem Gesicht deutlich
den Abglanz einer absolut ausserordentlichen Freude wahrgenommen, was uns
beide, Tam und mich, in Erstaunen versetzte. Für uns stand ausser Zweifel,
dass dir dort eine aussergewöhnliche Gnade zuteil geworden war. Seit
jenem Tag habe ich festgestellt, dass du dein Tagesprogramm von Grund auf geändert
hast. Ausser der Studienzeit erwecktest du den Eindruck, nicht mehr von dieser
Welt zu sein. Diese Änderung hat mich nachdenklich gestimmt....Lieber Van,
auch ich möchte mich verändern und das gleiche Programm befolgen wie du. Ich
möchte vielmehr den gleichen geistlichen Begleiter haben wie du, damit ich,
in deiner Gesellschaft, den Weg der Vollkommenheit besser verstehe.
Hiên
zu Van, Aut 635,636
Jesus hat
die Eucharistie für uns eingesetzt, um uns seine unendliche Liebe zu beweisen
und uns seine Leidensgeschichte in Erinnerung zu rufen.
Oh Jesus,
meine Liebe, ich liebe dich. Ich will stets mit dir in diesem göttlichen
Sakrament der Eucharistie vereint sein. Hier bin ich, ich liefere mich dir aus.
Nimm mein Herz, vereine es so innig mit deinem Herzen, dass es darin
zerfliesst.
Auf
die Einkleidung vorbereitende Exerzitien
Vater,
Sie wissen, dass Gott mich in Ihre Hand gelegt hat. Zur Zeit bin ich auf Ihre
Ratschläge und Anweisungen angewiesen, denn ich bin in tiefe Nacht versunken....Wenn
ich an Jesus denke, kann ich mich auch nicht im geringsten an die Schönheit
erinnern, die er früher in meinen Augen besass. Mit ausgetrockneter Seele,
ausgemergeltem Körper, und von heftigen Versuchungen heimgesucht bin ich von
inneren und äusseren Schmerzen geplagt.... Oh mein Gott!... Dein Wille
bestimmt noch immer meinen Weg. Lass mich nur deinen Willen befolgen, alles Übrige
nehme ich hin und opfere es dir auf, aber an deinem Willen muss ich festhalten
als wäre das mein Los, denn das ist für mich die beste Möglichkeit, über
alles Herr zu werden, um dir alles aufzuopfern.
Brief
vom 21. November 1950 an Pater Boucher
Ich warf
einen flüchtigen Blick dorthin und.....mein Gott! Ich sah eine riesige Schar,
die aus Menschen aller Verhältnisse zusammengesetzt war: Kinder, Erwachsene,
Männer und Frauen, die sich drohend auf uns zu bewegten, alle mit demselben
Zeichen auf der Stirn. Während des Gehens
stiessen sie furchtbare Schreie aus. An Jesus vorbeikommend,
beleidigten sie ihn, erhoben herausfordernd den Fuss und die Hand gegen ihn
und schmähten seinen heiligen Namen. Die einen trugen Stöcke bei sich, die
anderen hoben Steine auf und schleuderten sie mit Gewalt gegen den heiligen
Leib Jesu. Die meisten zielten auf sein Antlitz (....) Trotz dieser
Verunglimpfung strahlten Jesu Züge Güte aus und er schaute diese
Menschenmenge liebevoll an, ja mit Liebe, mit unendlicher Liebe! Als
sie in ihrer Haltung verrückter Überheblichkeit verharrten, hatte er Mitleid
mit ihnen und Tränen tropften, eine noch der anderen, auf seine Brust.
Aut
838-839
Ja, später
wirst du in den Orden der Redemptoristen eintreten. (...) Aber, lieber kleiner
Bruder, mein Seelchen, du wirst Dornen auf deinem Weg vorfinden und der jetzt
strahlende Himmel wird mit düsteren Wolken verhängt sein. Ich muss dich im
Voraus warnen, damit du auf die Prüfung vorbereitet bist, die deinem Bruch
mit dem weltlichen Leben vorausgehen wird. Widerwärtigkeiten stehen dir bevor.....
Du wirst Tränen vergiessen, du wirst der Freude verlustig gehen und du wirst
den Eindruck haben, der Verzweiflung ausgesetzt zu sein. Hier, in Quang-Uyên,
werden sich alle von dir zurückziehen, du wirst verspottet werden, als hättest
du den Verstand verloren. Du wirst fortgejagt und in Schande gebracht werden.
Denk aber daran, dass die Welt Jesus genau so behandelt hat. Wenn du
Redemptorist werden willst, musst du auch annehmen, wie Jesus, der Erlöser,
misshandelt zu werden.... Nachdem du auf diese Weise mit Füssen getreten
wurdest, wird deine Familie wiederum Quelle der Bitternis für dich werden,
woraufhin du endgültig mit der Welt brechen wirst. Van, habe jedoch keine
Angst. Während der Sturm in deinem Herzen toben wird, wird Jesus im Nachen
deiner Seele weiterhin gegenwärtig sein und wird, obschon schlummernd, nie
aufhören, dich zu lieben und dir zu helfen, gegen den Sturm anzukämpfen.
Therese
zu Van, Aut 669-671
Während
der ganzen Dauer meines Noviziats traf Gottes Plan für mein Leben mit der
Frage überein, die Jesus seinen Aposteln gestellt hat:“Wenn du mich liebst,
kleiner Bruder, wirst du dann auch die Kraft haben, mit mir den bitteren Kelch
zu trinken?“ Während all dieser Zeit forderte er mich auf, zu leiden und
mich freudigen Herzens zu opfern. So besteht also meine Aufgabe darin, mit
Jesus auf die Höhe des Kalvarienberges zu steigen, und dort in Vereinigung
mit ihm zu sterben.
Aut
859
Heute, am
Karfreitag, mache ich Exerzitien. Wenn ich deine Passion betrachte, bin ich
gerührt und verlange danach, deinen Leidensweg in meinem Leben
nachzuvollziehen. Oh Jesus, warum kann ich heute nicht sterben, wie du, aus
Liebe, eines Todes, der in allen Jahrhunderten nicht in seiner ganzen
Wirklichkeit beschrieben werden kann. Nur unendliche Liebe kann den schändlichen
Tod verstehen, den du an diesem Tag erlitten hast. Da mir die Gnade zuteil
wurde, dein Freund zu sein, sehne ich mich nach einem Tod... der so
unantastbar ist wie deiner, damit wir sagen können: Wir lieben einander und
wir sind für einander gestorben.
Tagebuch,
16. April 1954
Jesus, mein
Freund, heute will ich dir mein Lob entgegenbringen.
Die Nachricht
deines Todes hat mich in Traurigkeit versetzt,
Aber über
die Verkündigung deiner Auferstehung bin ich hocherfreut.
Jetzt
ist die Traurigkeit des Freitags verflogen.
Jetzt
lebst du mit mir, in der Freude.
Lass
mich dir von meiner Liebe erzählen.
Ich
rede mit dir, hör mir zu.
An
Jesus gerichtetes Liebeslied, 1. und 3. Strophe, vom 6. April 1947
·
Marcel, beruhige
dich doch und glaube fest daran, dass ich dir gegenüber nie undankbar bin.
Nimm das Leid an...dann wird nach diesem vergänglichen Leben der Tag der
Herrlichkeit kommen, an dem so viele Seelen, die aus ihrer Verstocktheit
erwacht sind, dir fröhlich entgegenkommen werden. Dann wird ihr Glück zu
deiner Verherrlichung gereichen.
·
Ich traue mich
nicht, diese Herrlichkeit in Anspruch zu nehmen, ich überlasse sie dir, Jesus.
·
Dann scheinst du
zu vergessen, Marcel, dass die Herrlichkeit, die ich dir gebe, von meiner
eigenen Herrlichkeit herrührt, und dass du durch die Annahme dieses Geschenks
zu meiner grösseren Herrlichkeit beitragen kannst. Ich werde dich mit der dir
zukommenden Herrlichkeit bekleiden und indem du dieses Kleid trägst, trägst
du dazu bei, meine Herrlichkeit noch kostbarer, noch strahlender zu gestalten.
Betrachtung
mit Jesus, 9. Mai 1951
Oh Welt,
ohne die Liebe wärest du schon zerstört und in Asche gefallen....Oh Welt,
Gott will dich jetzt durch die Liebe verwandeln. Du musst in der Liebe
leben.... Aber, Marcel, um das zu erreichen, bedarf es vieler Gebete, nicht
wahr? Denn die Welt widersetzt sich noch der Liebe.
Jesus
zu Van, Gespr. 435, vom 13. April
1946
Oh Mutter,
ich habe dich sehr lieb und möchte, dass alle Menschen lernen, dich auch zu
lieben. Dich lieben, Maria, ist einfach. Du begnügst dich mit der
Schlichtheit des Herzens und verlangst nichts Ausserordentliches. Später im
Himmel werde ich meinen Wunsch erfüllen, die Liebe zu dir auszubreiten. Da
ich dann alle Sprachen beherrschen werde, werde ich unbefangen reden können
und die ganze Welt lehren, dich, Maria, die liebevolle Mutter, zu lieben. Ich
werde den Menschen sagen, dass sie dich lieben müssen, um Jesus zu gefallen
und seine Liebe zu verdienen. Ich werde ihnen sagen, dass sie Jesu Stimme klar
vernehmen werden dank ihrer Liebe zu dir. Wenn sie dich lieben, wirst du sie
mit dem kleinen Jesus auf den Schoss nehmen, du wirst sie mit ihm unter deinem
Mantel bergen, so dass sie alles hören werden, was
er sagt.... Mutter, später im Himmel werde ich dich noch mehr lieben......
Van
zu Maria, Gespr. 253-254, vom 5. Januar 1946
Am
Wichtigsten für dich ist, viel zu beten, zu beten für die Welt..... Dann
wird auf dieser Erde alles verwandelt werden. Eine von Liebe unterhaltene
Flamme wir sich als Stütze der Welt bilden. Mein Kind, bete, bete viel, damit
die Liebe Jesu sich auf Erden in ihrer ganzen Pracht entfaltet und befestigt
und dasselbe für meine Herrschaft zutrifft. Die ganze Welt
wird mich als ihre wahre Mutter anerkennen und das Mitleid mit ihr,
dessen mein Herz überfliesst, verstehen. Bete, mein Kind. Die Herrschaft der
Liebe wird bald in der Welt Fuss fassen und meine Herrschaft wird unverzüglich
nachfolgen. Bete, mein Kind (....) Deine Rolle ist es, Jesus freudigen Herzens
zu lieben, viel für die Apostel der Herrschaft der Liebe zu beten, sowie für
die meiner eigenen Herrschaft....
Maria
zu Van, Gespr. 260
Van
besass auch einen winzigen Rosenkranz, den er in einem ganz kleinen Holzkästchen
aufbewahrte. Ich glaube, dass er ihn zum Andenken an seine Zugehörigkeit zur
Pfadfindergruppe der Jüngsten unserer Lieben Frau erhalten hatte, die von
Pater Dreyer Dufer in Langson geleitet wurde.
Schwester
Anne-Marie Tê
Kleiner
Jesus, vorhin hat meine Mutter Maria mich gelehrt, wie man den Rosenkranz
einfacher beten kann. Ich hatte zu ihr gesagt:“Mutter, die Leute meinen, man
müsse, um den Rosenkranz gut zu beten und den Ablass zu gewinnen, nicht nur
die Gebete verrichten, sondern bei jedem Gesätz das betreffende Geheimnis
betrachten. Mir ist es aber unmöglich, den Rosenkranz auf diese Weise zu
beten, weil ich nicht weiss, wie man über die Geheimnisse nachdenken soll.
Bisher ist jeder Versuch gescheitert. So hat Maria mich gelehrt, jedes „Gegrüsset
seist du Maria“, das ich bete, ihr aufzuopfern. (Ich war am
Rosenkranzbeten). Dann sagte sie noch zu mir: „Mein Kind, mach es so: Sage
zu Beginn des Gesätzes zu mir: ‚Mutter, ich opfere dir dieses „Vaterunser“,
dieses erste „Gegrüsset seist du
Maria“, dieses zweite „Gegrüsset
seist du Maria“, dieses dritte „Gegrüsset
seist du Maria“ usw. bis zu dem letzten, dem zehnten, auf’. Dann
beginnst du von vorne. Opfere mir nach dem ersten Gesätz das zweite auf,
indem du sagst: ‚Mutter.... usw....’ und fahre so fort. Du brauchst also
nicht die einzelnen Geheimnisse zu betrachten. Am allerliebsten ist mir, wenn
die Menschen mir ihre Gebete und ihre Gedanken beim Rosenkranzgebet aufopfern.“
Das ist
alles, kleiner Jesus. Seither habe ich mit dem Rosenkranzgebet keine
Schwierigkeiten mehr. Wenn ich mein erstes „Gegrüsset
seist du Maria“ beendet habe, opfere ich das
zweite auf und so fort bis zum zehnten
„Gegrüsset seist du Maria“ und dem „Ehre
sei dem Vater“. Dann bete ich das zweite Gesätz genau so. Das ist ganz
einfach, kleiner Jesus.
Meine
Mutter verwöhnt mich sehr. Ich käme kaum zurecht, wenn sie
von mir die Betrachtung der Geheimnisse verlangen wollte, und so würde
mir das Rosenkranzgebet leid werden. Kleiner Jesus, diese neue Methode wird
auch den Kindern sehr nützlich sein, weil sie nicht betrachten können. Dank
dieser Methode wird das tägliche Rosenkranzgebet einfacher.
Jetzt
mache ich Schluss. Von nun an brauche ich nicht mehr über die Geheimnisse
nachzudenken, denn ich kann mich damit zufriedengeben, alle Gebete Maria
aufzuopfern, wie sie mich es gelehrt hat. Und es wird so gut sein......
Gespr.
725-726 vom 29. August 1946
„Ich
werde ein fröhlicher Heiliger (im Himmel) sein,
aber
ich werde mit Sicherheit (auf Erden) vor Traurigkeit sterben.“
Van weint
oft. Seine einfühlsame Natur und seine Jugend machen ihn dafür empfänglich.
Kinder wechseln oft vom Weinen über zum Lachen über und umgekehrt.*1
Für Vietnamesen ist das
keine Seltenheit. Bei Van ist diese Erscheinung aber ausgeprägter. Seine
Autobiographie enthält zahlreiche Erzählungen, in denen die Tränen fliessen.
Ausserdem reicht dieses Weinen über die Kindheit hinaus, so dass seine
Redemptoristenmitbrüder es ihm vorwerfen. Van weint zu viel - viel zu viel!
Und doch
merkt man bei näherem Hinsehen, dass er nicht ohne Grund weint. Er weint nie
aus übler Laune oder wegen Wehwechen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu
lenken oder sich selbst zu bemitleiden. Gewiss, er wurde zu früh der
liebevollen Zuwendung seiner Familie entzogen, was schon ein hinreichender
Grund war, ohne auf eine Neurose zu schliessen, denn all seine Schriften
zeugen von seinem vollkommenen psychischen Gleichgewicht. Van ist im Gegenteil
von Kind auf ein Krieger. Als Erwachsener rät er dem Gemahl von Saü ein
tapferer Soldat zu sein, der sein
Leben für sein Vaterland aufs Spiel setzt. Er selbst verwirklicht diesen
Grundsatz durch die freiwillige Hingabe seines Lebens für Jesus. Das Paradox
eines lebhaften Empfindungsvermögens und
äusserstem Mut zeigt darauf hin, dass Vans Persönlichkeit unter allen
Gesichtspunkten ein Geheimnis ist. Bei ihm, „dessen Blick weder in die Nähe
noch in die Ferne gerichtet ist, sondern auf den, den sein Herz liebt“, darf
man nie beim ersten Eindruck stehen bleiben. Pater Brébion, ein Dominikaner,
sagte sogar zu Van, als er im Mai-Juni 1943 aus Quang-Uyen fortgejagt wurde:“Ausser
Gott kann niemand dich verstehen.“
*1 Van
bewahrt seinen kindlichen Humor und kann mitten in tiefem Leid plötzlich in
Gelächter ausbrechen. Als er mit der Schneiderei beauftragt wird, ahmt er in
einem Brief an seinen Mitbruder André (Hanoi, 1. April 1948) die südländische
Redensart von Saigon nach. „Traurig bin ich noch immer, aber ich lache und
folge unbeirrt dem, (Jesus), der uns liebt, anstatt tatenlos zuzusehen, was
von tödlicher Traurigkeit wäre. Lieber Bruder, ich bediene mich der
Redensart von Saigon, um Sie aufzumuntern und Sie ihre Traurigkeit vergessen
zu lassen.
Ein Jahr
zuvor hatte sich aber schon ein anderer Dominikaner, Pater Vincent
Drayer-Dufer*2
, eingehend mit Van
befasst. Hier die Erzählung eines Vorkommnisses in Langson während des
ersten Semesters 1942*3.
„Der
Verwalter des Seminars, P. Drayer Dufer, liess durchblicken, dass er mich
besser als alle anderen verstand. Er war gutherzig und hatte einen so milden
Blick wie eine Mutter. Sein Gesicht war stets durch ein gutmütiges Lächeln
erhellt und von einem spärlichen Bart umrahmt. Dieses Lächeln deutete auf
seine stetige Bereitschaft zur Vergebung und zu Inschutznahme hin. Er sorgte
sich vor allem um die Kleinen und als Verwalter wanderten die Süssigkeiten
leicht von seinen Händen in die der Jüngsten, die die Heulkrankheit hatten.......
Ich muss zugeben, dass ich leicht heulte, aber gewöhnlich im Verborgenen. P.
Drayer Dufer brauchte mich übrigens nicht weinen zu sehen, um mir Naschereien
zuzustecken. Jedesmal wenn ich etwas rote Augen hatte, nahm er mich mit auf
sein Zimmer, um mir welche zu geben. Ich stellte fest, dass ich verhätschelt
wurde wie in meiner Familie, so dass meine Liebe zu dem Pater so stark und
tief wurde wie jene, die ich meiner Familie entgegenbrachte. Seit meinem
Eintritt in das Pfarrhaus als Priesteramtskandidat bis zum heutigen Tag war
dies das erste Mal, dass ich Ordenspriester sich wirklich väterlich benehmen
sah. Ich nannte sie Väter und ich brauchte mich nie zu fragen, warum sie
meine Väter waren, denn sie benahmen sich wie tatsächliche Väter.
Um
mich besser zu verstehen, beobachtete P. Drayer Dufer mich aufmerksam. Ich
merkte, dass er mir oft folgte und versuchte, meine geheimsten Gefühle zu
erraten. Er verstand ebenfalls, dass ich nie aus freien Stücken reden würde,
ohne gefragt zu werden. Offen gesagt, ich war noch immer sehr scheu. Ich hätte
so manches erklären wollen, wusste mich aber nicht auszudrücken und ich
hatte vor allem Angst, nicht verstanden zu werden. Ich erinnere mich an
folgende Episode, die für den Beobachtungssinn des Paters spricht.
*2 Moïse
Drayer-Dufer war 1908 geboren. Als er 1927 Dominikanerpater wurde, nahm er den
Namen Bruder Vincent an. Er trat seine Missionsarbeit in Nordvietnam an, wo er
vierzig Jahre blieb. Er ist 1979 in Poitiers gestorben. „Pater Vincent
schien auf den ersten Blick streng zu sein, aber man merkte schnell, dass
grosse Güte vorherrschte. (....) Er war demütig mit den Demütigen, arm mit
den Armen“, schreibt sein Mitbruder, Pater Bruno de Vaux Saint-Cyr über ihn.
*3
Marcel Van, Autobiographie (Saint-Paul/Vans Freunde, Versailles, 2000), S.
273-275.
Van
verbringt die Zeit von Januar bis August 1942 im kleinen Seminar der hl.
Therese vom Kinde Jesus in Langson, eine Stadt 120 Km nordöstlich von Hanoi.
Eines
Morgens ging ich zum Blumenpflücken in den Garten. Meine Liebelingsblume war
die kleine Chrysantheme, die einzige, die in die ganz kleine Blumenvase passte,
die auf meinem Pult vor dem Muttergottesbild stand. Bevor ich mich
zum Spielfeld begab, schlug ich also die Richtung des Gartens ein, um
dort Blumen zu pflücken. Plötzlich traf ich P. Drayer Dufer, der spazieren
ging und mich fragte:
·
Wo gehst du hin?
Warum spielst du nicht mit deinen Kameraden?
·
Vater, ich werde
es tun, aber ich möchte noch hier vorbeikommen, um einige Blumen zu pflücken.
Er
neigte den Kopf zur Seite und sagte lächelnd:
·
Du liebst Blumen
sehr, nicht wahr?
·
Vater, ....... sie
sind nicht für mich, sondern für die Muttergottes, die sie sehr liebt. Und
so werde ich ihr jetzt einige pflücken.
Mit
stets freundlichem Gesichtsausdruck fügte er bei:
·
Ja, ich weiss. Es
ist nicht erstaunlich, dass eine Seele wie die deine die Blumen mag.... Gut
also, gehe Blumen pflücken, ich komme mit.
·
Danke, Vater.
Wir
rafften unsere Kleider und stiegen in den noch mit Morgentau getränkten
Garten. Ich wählte zwei, drei Blumen, die mir gefielen und hörte dann mit
Pflücken auf. Pater Drayer Dufer hatte noch keine einzige Blume in der Hand,
suchte aber aufmerksam. Einen Augenblick später sah ich, wie er sich bückte
und behutsam eine ganz kleine weisse Chrysantheme pflückte. Er rief mich lächelnd
und zeigte mir einen kristallklaren Tautropfen, der noch im Kelch dieser Blume
ruhte und sagte zu mir.
·
Verstehst du?
Ja,
Vater, ich verstehe.
·
Was verstehst du?
·
Ich verstehe, dass
es eine weisse Chrysantheme ist.
·
Oh, dann hast du
nichts verstanden.
Erstaunt
sah ich ihn an, so dass er wohl einsehen musste, dass ich seinen Worten nicht
viel Sinn abgewinnen konnte. Er gab mir aber sofort eine Erklärung: Er zeigte
mir den Tautropfen im Blumenkelch und sagte mit scherzhafter Miene:
·
Dieser Tautropfen
gleicht den Tränen der kleinen Blume.... und die kleine Blume.... bist du.
Ich
brach in lautes Gelächter aus und verstand die Bedeutung seiner Worte nur
vage. Erst später, als mein Schiff in den Hafen der Kongregation des
Allerheiligsten Erlösers einlief, verstand ich rückblickend klar den Sinn
seiner Worte. P. Drayer-Dufer reichte mir die Blume und forderte mich auf, sie
der Muttergottes zu schenken. Ich dankte ihm und setzte sie in die kleine
Vase, indem ich sorgfältig aufpasste, dass dieser kostbare Tautropfen nicht
herausrann.“
Wir können
den Scharfblick dieses grossherzigen Ordenspriesters nur bewundern. P.
Drayer-Dufer hatte mühelos verstanden, dass die Maria von Van geschenkte
Blume er selbst war; der junge Seminarist Glich einer winzigen, der
Muttergottes dargebrachten Blume. Der Sinn der Tränen war offensichtlich: Es
war die nach und nach aus seinem Herzen sickernde Bitterkeit.
Später
wird Van die volle Bedeutung dieser Episode beim Lesen der Schriften von
Tehrese, die sich oft als Jesu kleine Blume bezeichnet, verstehen*4.
„Seit
eineinhalb Jahren hat es Jesus gefallen, die Art, wie er das Wachstum seiner
kleinen Blume fördert, zu ändern; er fand offenbar, sie sei hinreichend
begossen, denn jetzt lässt die Sonne sie wachsen, Jesus will nurmehr sein Lächeln
für sie, und auch dieses schenkt Er ihr durch sie, meine vielgeliebte Mutter.
Weit entfernt, die kleine Bume zum Welken zu
bringen, fördert dieser milde Sonnenschein ihr Wachstum auf wunderbare
Weise; im Grunde ihres Kelches verwahrt sie die kostbaren Tautropfen, die sie
vordem empfang, und diese Tropfen erinnern sie stets daran, dass sie klein und
schwach ist... Alle Geschöpfe können sich ihr zuneigen, sie bewundern, sie
mit ihrem Lob überschütten, das alles kann, ich weiss nicht warum, keinen
einzigen Tropfen falscher Freude zur wahren Freude hinzufügen, die sie in
ihrem Herzen verkostet, denn sie erkennt, was sie in den Augen Gottes ist: ein
armes kleines Nichts, mehr nicht... Ich sagte, ich verstünde nicht warum,
aber ist es nicht deshalb, weil sie vor dem Wasser der Lobsprüche bewahrt
geblieben ist während der ganzen Zeit, da ihr kleiner Kelch nicht hinreichend
gefüllt war vom Tau der Verdemütigung? Jetzt besteht keine Gefahr mehr, im
Gegenteil, die kleine Blume findet den Tau, der sie füllt, so kostbar, dass
sie sich wohl hüten würde, ihn gegen das so fade Wasser der Artigkeiten
einzutauschen.“
Theresens
Vergleich ist tiefgründig und ist weder gefühlsbetont noch oberflächlich.
Van geht darauf ein,indem er sich als Blütenblatt dieser Blume betrachtet,
was Aufschluss über die Beziehung zwischen seiner und Theresens Aufgabe gibt.
·
Geschichte einer
Seele, Anfang des Manuskripts C.
Tränen
sind ein Geschenk Gottes, für Van eine Gelegenheit, für seinen Vielgeliebten
zu leiden. Van schreit nicht, verletzt nicht, sondern weint. Er gleicht einem
Baum, der unter dem Schlag der Axt seinen Saft, sein Leben dahinfliessen lässt.
Unter Tränen geben die Kinder ihren Geist auf. Es sind Isaaks Tränen, der
ungefragt, aber einwilligend, geopfert wird.
Es sind
die Tränen der heiligen Unschuldigen Kinder, die nichtsahnend, an der Passion
Christi, seinem Opfer ebenbürtig, beteiligt sind. Die Tränen sind der Kinder
Blutstropfen*5.
Diese sind rein und durchsichtig wie ihre Unschuld. Sie fliessen unaufhaltsam,
weil die Kinder sich restlos hingeben. Sie wechseln von Tränen über zu
hellem Gelächter, weil Freude ihre wahre Natur ist. Sie bereiten Van auf sein
Martyrium im Erwachsenenalter vor.
In der
Tat weint er wegen des Martyriums, das er zu erdulden hat. Wie bei Therese
grenzt sein Leiden mehrmals an Verzweiflung.
Sie müssen die Gottesverlassenheit erdulden, wie der Herr während seiner
Passion. Das Leiden wird verursacht von Jesu Abwesenheit. Von Angesicht zu
Angesicht gibt es nichts als Lachen.
Durch den
Wassertropfen wirkt die Blume zarter und der Wassertropfen kommt im
Blumenkelch erst richtig zur Geltung. Vans Tränen erhöhen seine Schönheit
wie der Tau die Chrysantheme. Diese Schönheit rührt von der Liebe her, von
der seine Seele überfliesst. Wir müssen wieder lernen zu weinen mit der
Einfachheit der Kinder.
Ausserdem
sind Tränen nie fruchtlos, denn sie bringen geistige Frucht. Therese weist
Van darauf hin:“Deine wie sanfter Tau vergossenen Tränen wirst du später
gleich Sprühregen vom Himmel auf die Erde niedergehen sehen.“*6.
*5 Im März
1948 schreibt er seiner Mutter: „Während der ganzen Karwoche habe ich Jesus
gebeten, meine armseligen Tränen in Empfang zu nehmen und sie mit seinen aus
Liebe vergossenen Blutsstropfen zu vermischen, damit meines Vaters Herz
bekehrt wird. Ich habe ihn ebenfalls gebeten, all meine Leiden anzunehmen, um
sie mit seinen zu vereinen, damit er Papa ein wirklich reuiges Herz gebe.....!“
*6 Marcel
Van, Gespräche, Saint-Paul/Vans Freunde, Versailles, 2001.
Van
bittet seinerseits Jesus, dass sein Stöhnen zu Nahrung für die Kinder werde“.*8
Mögen Vans Tränen
Kinderherzen in dieser Welt erzeugen!
„*8
Und Van
begibt sich zu seiner Mutter Maria, um ihr die Blume, die er ist, mit seinem
Tautropfen darzubringen. Das ist ganz seine Art. Wie oft hat er in seiner
Kindheit vor der Statue seiner liebevollen Mutter geschluchzt!
„Ich
werde ein fröhlicher Heiliger sein, aber ich werde mit Sicherheit vor
Traurigkeit sterben“, hatte er in einem Gedicht geschrieben. Bevor seine Tränen
im Himmel endgültig getrocknet werden (Ich glaube, dass meine Tränen erst im
Himmel getrocknet werden!...“*9),
muss er durch ein Leben voll Traurigkeit und Schluchzen. Vans Augen werden
unter der Sonne der Liebe trocken werden. Schon in seinem irdischen Leben
hatten ihm die grossen geistlichen Geschehnisse seines Lebens und der Kontakt
mit Jesus masslose Freude bereitet. Das war vor allem der Fall bei seiner
Erstkommunion und seiner Abreise nach Huu Bang nach der in der Weihnachtsnacht
1940 erhaltenen Gnade.
Vans Tränen
fliessen oft, so oft die Umstände ihn von seinem Vielgeliebten entfernen. Van
kennt aber nur ein Lachen, das das von der Gegenwart Jesu ausgelöst wird. „Christliche
Freude ist ein Teilhaben an der Freude des auferstandenen und verherrlichten
Christus“.
Selig, die
auf Erden Vans Lachen vernommen haben!
Selig, die es
im Himmel vernehmen werden!
„Selig die,
die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen“.*11
*6 Marcel
Van, Gespräche, Saint!Paul/Vans Freunde, Versailles, 2001
*7 Brief
an Jesus vom 25. Januar
1948.
*8
nach Renée de Tryon-Montalembert, im Buch « Quel est ton secret, petit
Van », Saint-Paul/Vans Freunde, Versailles, 2000.
*9 _Brief
an P. Boucher vom 11. November 1951.
*10 Paul VI.,
Apostolischer Brief über die christliche Freude, (1975).
*11 Lk
6,21.
Tränen
für seinen Vater
Van
schreibt seinem Vater mit grosser Feinfühligkeit aber auch grossem Wagemut,
denn damals war es in Vietnam für ein Kind undenkbar, seinem Vater einen
Vorwurf zu machen. Nachdem Liêt, sein ältester Sohn, erblindet war, änderte
Vans Vater seinen Lebenswandel. Im Gebet liess er immer mehr nach und seiner
Arbeit zog er Trinken und Spielen vor. Nach der grossen Überschwemmung von
1938 war Vans Familie in grösstes Elend gestürzt.
.....Das
genügt, lieber Papa, ich möchte nicht noch deutlicher werden, und mein Herz
noch mehr belasten. Ich musste mich zusammenreissen, um diese Worte, die ich
nicht sagen wollte, dennoch an dich zu richten. Ich fürchte nicht, dir weh zu
tun, denn du weisst wohl, dass ich dich wirklich gern habe. Erlaube also, dass
ich mein Haupt an deine Brust lehne, um meinen Tränen freien Lauf zu
lassen.Erst wenn meine Tränen sich mit deinen Tränen der Reue vermischen,
werde ich es wagen, dich anzusehen und dir ein Lächeln zu schenken. Wenn der
Strom meiner Tränen nicht vermag,
dein Herz zu rühren, werden Traurigkeit und Schmerz jedes Gefühl der Freude
in mir ersticken.
Wenn
meine Tränen sich hingegen mit den deinen vermischen, werden sie für mich Tränen
der Freude sein, denn das wird das Zeichen sein, dass Gott mein Gebet erhört
hat und dir die Gnade der Umkehr schenkt.
Oh! Papa,
das sind schwerwiegende Worte, die meinem Herzen entspringen. Lass nicht zu,
dass sie nutzlos bleiben. Lass dich von nichts beeindrucken. Sei gewiss, dass
niemand dir vorwirft, durch dein Benehmen benachteiligt worden zu sein. Es ist
nur bedauernswert, dass du die Tage, die dir zu deiner Besserung geschenkt
wurden, vorübergehen gelassen hast, ohne auch nur an Umkehr zu denken. Es
bleibt dir jetzt noch Zeit zum Nachdenken!
Brief
an seinen Vater vom 11. April 1948
Aus der
Autobiographie geht hervor, dass Vans Tränen die Umkehr seines Vaters bewirkt
haben. mkehr
schenkt.
Oh!
Papa, das sins scherwiegende worte, die meinem Herzne entsprinen. Lass nicht
zu, dass sie für dich nutuzlis sin
·
1 -
Es ist Abend.
Düster und lautlos breiten sich die Schatten aus.
Von
Traurigkeit überwältigt kehrt der Vogel aus unbekannter Ferne zurück.
In diesem düsteren
Schatten schweigsam zusammengekauert,
Ist mir kalt,
und ich denke an meinen Freund Jesus.
·
2 -
Oh Mutter,
weshalb ist mein Herz heute Abend voll Liebe?
Beim Wehen
des Windes, das ich gleich einem geheimnisvollen Ruf zu vernehmen scheine,
Ist mir, als
höre ich die Stimme dessen,
Der mich
eines Tages herausrief,
Um mich im
Geheimen zum Austausch inniger Liebe einzuladen.
·
3 -
Nun ist
diese Stimme von einst in der Abenddämmerung verstummt,
Und durch
die Trostlosigkeit der Landschaft wird meine tiefe Sehnsucht noch gesteigert.
...Ach!
Meinen Vielgeliebten sehe ich nirgends mehr.
Ich bleibe
in Stille und Trauer allein zurück.
4 -
·
Oh Maria, in
meiner Einsamkeit und Abgeschiedenheit Lehne ich mich an deine Brust, um dir
zu sagen:
Mutter! Sieh
meine von Tränen überfliessenden Augen.
Dein ist
meine ganze Liebe; dir vertraue ich sie an.
J.M.T.
Marcel, C.Ss.R.
Saigon, 23.
Juli 1950
Für mich
ist dieses Gedicht nur Ausdruck meiner Gefühle der Muttergottes gegenüber.
Es gefällt mir, weil es mir erlaubt, ihr in Trauer und Leid mein Herz
auszuschütten. Mit diesem Gedicht beabsichtige ich bloss, der Muttergottes
die unendliche Traurigkeit meines Herzens an einem einsamen Abend auszudrücken.
Im Bewusstsein, dass ich niemanden habe, dem ich mich anvertrauen und mein
Leid klagen könnte, muss ich zu meiner Mutter eilen und bei ihr in meiner
Vereinsamung Zuflucht suchen.
Vater, da
dieses Gedicht Ausdruck meiner Gefühle ist, muss es notgedrungen schwer verständliche
Worte enthalten. Ganz ohne Erklärung wäre es wohl für Sie schwer verständlich.
Lassen Sie mich also Strophe um Strophe durchgehen.
Dieses
Gedicht ist betitelt: Einsamkeit am Abend. Einsamer Abend.
Die Ausdrücke
für materielle Dinge verwende ich für geistliche. So bedeutet in meinem Sinn
der Titel „Einsamer Abend“, dass mein Leben seinem Ende zugeht, wie der
Tag zur Neige geht.
Das Wort
„einsam“ gebrauche ich, weil in meiner Seele nur Einsamkeit und Schweigen
herrscht, ohne jede Freude, ohne jeden Trost, ohne das geringste Anzeichen,
dass der Himmel nahe wäre, wie Jesus mir zu verstehen gegeben hat....
Erste
Strophe
Das ist
eine Beschreibung der Natur. Wenn im Herbst abends die Sonne niedergeht, sehen
wir gewöhnlich wie die Schatten der Bäume sich allmählich ausdehnen, als würden
sie sich auf dem Boden niederlassen, sich dann auflösen und schliesslich „düster
und lautlos“ verschwinden wie ein Traum still vorübergeht und nichts
Wirkliches darzustellen scheint.Genau so kann die Verfassung meiner Seele
beschrieben werden.
Die
einstigen Hoffnungen, die in Gegenwart meines Freundes Jesus verkostete
Freuden gehören der Vergangenheit an als wären sie nur ein Schatten bei
Tagesneige gewesen.... bloss ein Traum.
Zur
Zeit ist sogar die Liebe nur Trockenheit. Das Licht des Glaubens hat
sich verdüstert, und meine Seele ist in einem Zustand äussersten Elends, der
an Verzweiflung grenzt, versetzt. Deshalb sehnt sie sich nach einer tröstenden
Nachricht.
Auch dies
ist eine Beschreibung der Natur bei Abenddämmerung. Gewöhnlich sieht man zu
dieser Stunde einige erschöpfte Vogelpaare, auf Distanz zueinander fliegend,
in den Bäumen Zuflucht suchen, um dort die Nacht zu verbringen.
Und hier
die Bedeutung dieses Verses: Da an solch einem Abend die Seele in Trauer
versunken ist, sehnt sie sich beharrlich nach einer Nachricht oder einem
Zeichen, das sie erkennen lässt, dass es für sie noch Hoffnung gibt, den,
der Gegenstand ihres Glaubens und ihrer Sehnsüchte ist, wiederzusehen.
Die Worte
„von Traurigkeit überwältigt“, drücken sozusagen die Verzweiflung
meiner Seele aus, die überall nur Grund für Traurigkeit sieht, während mein
Geist stets von Gedanken beherrscht ist, wie: Die Freuden des Himmels werden
dir nie zuteil werden. Jesus ist nur ein im Traum aufgetauchter Name...usw.
Welche eine Traurigkeit!?
In
Anbetracht der tiefen Trostlosigkeit des zu Ende gehenden Lebens, stöhnt die
Seele im Bewusstsein ihres unheilvollen Schicksals, ohne Hoffnung auf Trost.
Sie findet sich damit ab, still
in diesem sie einhüllenden Nebel, der nichts anderes als Leiden ist, zu
verharren.
In diesem
düsteren Nebel spürt die Seele plötzlich, dass die Liebe erkaltet ist;
diese Kälte veranlasst sie, sich des Schutzes dessen zu erinnern, der sich in
Liebe mit ihr vereint hat. Dieser Freund ist Jesus selbst.
Zweite
Strophe
Ihren
traurigen Erinnerungen ausgeliefert, fühlt die Seele sich immer einsam und
nichts lässt sie erkennen, dass sie noch geliebt ist. Sie stellt aber
unerwartet fest, dass ihre tiefe Liebe erwacht und ihr den Eindruck verleiht,
sich in der Nähe des Vielgeliebten aufzuhalten, der sie mit
Zuneigungsbeweisen und Liebkosungen überschüttet. Deshalb entschlüpft ihr
in ihrem Staunen die Frage „WARUM?“ Warum ist mein Gemüt heute Abend so
tief beeindruckt, von Liebe berauscht?
Das Wehen
des Windes ist eine Beschreibung der Natur, aber in meinen Augen steht dieser
Satz für die Gefühle, die Freuden, die wir bei den andern feststellen. Die
Sicht von zwei Freunden, die sich fröhlich austauschen, sich gegenseitig trösten
und sich helfen, kommt dem zarten Wehen des Abendwindes gleich.
Voll
inniger Liebe ist der Mensch von diesem Anblick tief gerührt und sein
erregtes Herz ist für äussere Liebesbeweise zugänglicher. Sie sind wie das
Wehen des Windes, geheimnisvoll und sanft wie Liebesworte.
Als Zeuge
dieser Liebesbeweise erinnert der Mensch sich an die Worte dessen, der sich
ihm früher geöffnet hat. Hier handelt es sich um Jesus, den besten Freund.
Da diese im Geist erfassten Dinge ihren Ausdruck in einer vagen Frage finden,
ist es nicht möglich, dem Vielgeliebten einen bestimmten Namen zu geben. Es
bleibt bei der unpersönlichen Form, aber im Geist ist der Name des
Vielgeliebten klar formuliert. Trotz der Ungenauigkeit des Ausdrucks versteht
das Herz mühelos.
Da dieser
Vers sich mit dem vorigen verbindet, handelt es sich hier nur um die
Beschreibung der sanften Liebesworte, die die Seele früher aus dem Mund ihres
Geliebten vernommen hat. Bei der Erinnerung an diese Liebesworte und die damit
verbundene Liebe ist die Seele gerührt.
Dritte
Strophe
In
Erinnerung an die Liebesbeweise, die ihm früher zuteil wurden, sieht der
Mensch im Bewusstsein seiner gegenwärtigen Lage die Schatten, die sich
niedersenken und stellt in seiner Trostlosigkeit fest, dass sogar die
Liebesworte von einst heute verstummt sind.
Die
Abenddämmerung ist schon traurig an sich, und nun wird diese Trauer noch
durch tiefe Sehsucht gesteigert, die die Seele in einen schmerzhaften Zustand
versetzt.
Hat die
Seele in diesem Zustand der Trauer und Sehnsucht noch die Hoffnung, den
Vielgeliebten wiederzusehen? Obwohl sie ihn herbeisehnt, bleibt er aus. Wie
traurig!
Ich
bleibe also in völliger Einsamkeit meines Herzens zurück und lasse still
meine Tränen fliessen.
In dieser
dritten Strophe stellt der Mensch seine Abgeschiedenheit fest und ergeht sich
in Trauer. Jetzt sucht er Zuflucht für sein schmerzvolles Herz.
Vierte
Strophe
Die
Schlussfolgerung ist bloss eine an die Muttergottes gerichtete Klage. Nach der
Traurigkeit und Einsamkeit des Abends, nach der Erinnerung an die
Liebesbeweise der trostvollen Tage, empfindet die Seele in Anbetracht der
gegenwärtigen Lage nur Einsamkeit und Traurigkeit. So tief ihre Liebe und so
stark ihre Rührung auch sein mögen, sie empfindet nur Einsamkeit und Trauer.
Der
letzte Vers hätte ein verzweifelter Schrei sein sollen, um sich von der Liebe
und Erinnerung an den Geliebten loszusagen und das Herz von jedem
Liebesempfinden zu befreien. Die Seele sieht hingegen ein, dass die Liebe
jetzt auf die Probe gestellt wird und hofft, dass der Tag kommen wird, an dem
sie wieder die Freude der Vereinigung mit dem Geliebten kosten wird, komme was
wolle.
Was tut
sie in der Trauer und Einsamkeit der Abenddämmerung? Sie sieht sich um,
wohlwissend, dass es noch einen Zufluchtsort gibt, ein wohliges Nest, in dem
ihre sehnsüchtige Liebe sich aufwärmen kann. Dieser Zufluchtsort, dieses
wohlige Nest ist Mariens Herz.
Weil sich
meine Seele am Feuer der Liebe wärmen will, eben deshalb eile ich zu dir, oh
Mutter, um dir meine Lage zu beschreiben und den
Grund meiner Ängste und Trauer mitzuteilen.... Deshalb will ich bei
dir Zuflucht suchen.
Nachdem
er geweint und sein Herz geöffnet hat, richtet der Mensch sich an Maria, um
alles in ihre Hände zu legen.
Welch rührende
Worte! Wenn sie mir in den Sinn kommen, ist mir jedesmal als würde mein Herz
berauscht und nach und nach fliessen Tränen aus meinen Augen.... Unmöglich,
sie zurückzuhalten.
Das
geschieht nicht unter dem Einfluss eines zu starken Gefühls, sondern weil ich
jemanden gefunden habe, dem ich, an der Grenze der Verzweiflung angekommen,
meine schmerzende Seele anvertrauen kann. In deine Hände, oh Mutter, habe ich
meine innige Liebe und meine Gefühle gelegt.
Also
vergiesse ich Tränen aus einem Gefühl der Erleichterung und Freude, in
Erinnerung an das Wort der Hingabe: « Oh Mutter, dein ist meine ganze
Liebe; dir vertraue ich sie an. »
Dieses rührende
Gedicht schenke ich Maria. Ich werde es ihr zu Ehren an allen Abenden meiner
irdischen Pilgerfahrt wiederholen.
Dein
in Leid geprüfter Marcel, J.M.T. Marcel, C.Ss.R.
Lê,
Vans älteste Schwester, erklärt Tê, seiner jüngsten Schwester, die
radikale Umkehr ihres Vaters.
Seit Papa
nach Südvietnam übergesiedelt ist (August 1954), betet er regelmässig den
Rosenkranz und geht täglich zur Messe und zur Kommunion, so dass alle ihn
beglückwünschen und sich fragen: »Wieso ist Herr Liêt jetzt so fromm? »
Nach Hause zurückgekehrt, liess er von seiner früheren hochmütigen Haltung
und seinem schwierigen Umgang mit Mutter und den Kindern nichts mehr merken.
Er nahm ihnen gegnüber im Gegenteil eine demütige Haltung ein und bat Mutter
öfters sanft um Verzeihung für all das ihr zugefügte Leid.
Kleine
Schwester, ich beteure dir, dass Papa jedesmal wenn er Mutter um Verzeihung
bat und sein Bedauern äusserte, so stark innerlich litt, dass ihm die Tränen
kamen und die ganze Familie mit ihm weinte. Manchmal bat er Mutter mehrmals in
Gegenwart der Kinder um Verzeihung, um zu bezeugen, dass er ein grosser Sünder
ist. Kleine Schwester, Papa ist ein sanfter Mann geworden. Er hat öfters zu
Mutter gesagt: « Ich habe mich sehr grob dir gegenüber benommen,
verzeihe mir... » Dabei vergoss er Tränen der Reue. Mutter war sehr gerührt,
hatte Mitleid mit ihm und versuchte, dem Gespräch eine andere Wendung zu
geben, um ihm zu erlauben, diese peinlichen Geschehnisse zu vergessen.
Trotzdem kam Vater von Zeit zu Zeit darauf zurück und fragte Mutter: »Bist
du noch traurig? Vergiess es, nicht wahr? Bete für mich, denn ich bin
wirklich ein armer Schurke, ein sehr grosser Sünder! »
Du siehst
also, dass Papa von Gott eine ausserordentliche Gnade erhalten hat, die es ihm
ermöglicht hat, seinen Lebenswandel so plötzlich zu ändern und ein Mensch
voll Sanftmut und Demut zu werden.
Ich habe
als Flüchtling vier Jahre an Papas Seite verbracht. Trotz Armut und
Entbehrungen herrschte in unserer Familie eine Atmosphäre von Frieden und
Freude und wir waren in diesem gemeinsamen Leben mit unseren Eltern viel glücklicher
als in Nordvietnam.
29.September 1988
Die
Einfachheit
ist
in jeder Hinsicht
dem
Kleinkind in der Wiege gleich,
das
sich nicht brüstet, das nicht anklagt,
das
stets Frieden im Herzen hat und
sich
in allen Umständen nur durch
ein
Lächeln oder durch Tränen
ausdrücken
kann.
So
muss eine einfache Seele sein,
um
diesen Namen zu verdienen.
4.
Notizblock
Mise à jour le 16/02/2003